Archiv

Interaktive Systeme in virtuellen und realen Räumen

„Interaktive Systeme in virtuellen und realen Räumen – Innovative Technologien für die digitale Gesellschaft“

Einreichungsfrist 29.07.2020

Gefördert werden Innovationen der MTI, die neuartige Lösungen für eine gemischte Realität im Bereich „Digitale Gesellschaft“ adressieren. Große Herausforderungen stellen dabei die verbesserte Immersion durch neue Inter­aktionsformen sowie Multi-User-Szenarien dar. Neben der einfachen Nutzbarkeit und nutzerzentrierten Gestaltung sollen auch übergreifende Fragen, wie beispielsweise Echtzeitfähigkeit und Nachhaltigkeit, beachtet werden. Für die Entwicklung immersiver, alltagstauglicher und kommerziell erfolgreicher MR-Systeme sind insbesondere eine enge Verzahnung der beteiligten Akteure sowie die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Natur-, Geistes- und ­Betriebswissenschaften essenziell. Auch die stetige Einbindung von potenziellen Nutzerinnen und Nutzern ist eine grundlegende Anforderung an alle Entwicklungen.

Es existiert eine Vielzahl wissenschaftlicher und technischer Herausforderungen, die in den Vorhaben im Fokus stehen können. Hierzu zählen unter anderem folgende Forschungsthemen:

Erforschung und Entwicklung neuer multimodaler Interaktionstechniken und -strategien unter Verwendung von:

  • neuen Haptik-/Taktilitätskomponenten zur Wahrnehmung unterschiedlicher Oberflächen, Formen und Gewichte, aber auch solchen Komponenten zur Wahrnehmung von anderen Sinneseindrücken wie beispielsweise Temperaturen und Gerüchen, bis hin zu Fragen zur Erkennung und Darstellung von Emotionen sowie beispielsweise Mimik und Gestik,
  • neuen 3D-Eingabegeräten und -techniken zur intuitiven Steuerung von MR-Systemen. Dies können neben ­controllergebundenen Technologien auch Verfahren zur Gesten- und Sprachsteuerung sowie auch neuronale Schnittstellen sein.

Erforschung und Entwicklung von Multi-User-Anwendungen und kooperativen MR-Umgebungen:

  • beispielsweise durch eine gleichzeitige, möglichst echtzeitnahe Positionsbestimmung mehrerer Personen und durch Methoden zur Synchronisation der Bewegungen zwischen realer und virtueller Welt, um eine bestmögliche soziale Interaktion zu erreichen,
  • oder durch die Untersuchung der gelungenen virtuellen Abbildung der Nutzerinnen und Nutzer. Hier stehen neben Fragen zur Darstellung von individuellen 3D-Charakteren auch die Interaktionen zwischen mehreren ­Avataren aber auch Agenten im Fokus.

Grundsätzliche Verbesserung der Usability, der Alltagstauglichkeit und der Nutzerakzeptanz von MR-Systemen:

  • Die Gestaltung von virtuellen sozialen Interaktionen muss anders gedacht werden, als bei Technologienentwicklung bisher. Auswirkungen auf eine Gesellschaft, in der sich Menschen nicht direkt, sondern rein virtuell begegnen, sollten nicht nur im Rahmen der ELSI-Betrachtungen untersucht werden. Hierzu ist insbesondere auch die Erforschung von Effekten der Nutzung über einen längeren Zeitraum hinweg relevant.
  • Die Potenziale der anschaulichen und direkt erlebbaren Vermittlung von komplexem Wissen müssen durch ­Evaluationen überprüft werden. Es sollte nachgewiesen werden, inwieweit die neu entwickelten Systeme tatsächlich Vorteile gegenüber bisher üblichen Methoden und Technologien zum Wissenserwerb bieten und untersucht werden, wie MR-Systeme geschaffen sein müssen, damit virtuelles Lernen auch erfolgreich ist.
  • Die ständige und anschauliche Verfügbarkeit von Information kann ebenso Auswirkungen auf eine Gesellschaft und deren Bezug zum Thema Wissen haben, Auswirkungen beim plötzlichen Fehlen einer solchen Verfügbarkeit oder zur Filterung von falschen Informationen können weitere Forschungsfragen sein.
  • Die einfache und mobile Verfügbarkeit der entwickelten Lösungen sowie die Finanzierbarkeit und Nachhaltigkeit von deren Entwicklung und Betrieb sind weitere wichtige Faktoren, die es für einen breitenwirksamen Einsatz von MR-Technologien zu berücksichtigen gilt. Hierzu sollten bereits während der Konzeption insbesondere auch Aspekte der Energie- und Ressourceneffizienz der entwickelten Systeme grundlegend betrachtet und diskutiert werden.

Den Einreichern steht es frei, zusätzlich auch andere Herausforderungen zu adressieren, die für die nachhaltige Umsetzung alltagstauglicher, immersiver MR-Systeme für die digitale Gesellschaft zu lösen sind.

Gefördert werden MR-Lösungen, deren Anwendungsschwerpunkt eine Verbesserung im Themenfeld „Digitale Gesellschaft“ des BMBF-Forschungsprogramms zur Mensch-Technik-Interaktion „Technik zum Menschen bringen“ adressiert. Mögliche Schwerpunkte sind beispielsweise die folgenden Themenfelder:

Immersive und effektive Wissensräume

Durch neue multimodale Interaktionsformen können nicht nur kognitive und motorische Fähigkeiten trainiert, ­sondern auch Rahmenbedingungen wie Geräuschkulisse, Temperaturen, sozialer Umgang mit Menschen dargestellt werden, wodurch Anwenderinnen und Anwender ein immersives Erleben und so ein besseres Verständnis und tieferes Wissen gewinnen können. Damit könnte eine verbesserte Überführung von theoretischem in praktisches Wissen auch bei komplexeren Themen oder bisher sehr ressourcenintensiven Aufgaben gelingen. Beim Lernen aus der Ferne fehlen bisher zudem häufig Möglichkeiten zur Interaktion mit anderen Menschen. Diese Lücke könnten immersive, Multi-User-fähige MR-Systeme ebenfalls schließen und so das ortsunabhängige gemeinsame Lernen und Arbeiten deutlich verbessern.

Soziale und kulturelle Teilhabe

Durch die fortschreitende Globalisierung, Urbanisierung und den demografischen Wandel wächst die Zahl der ­einsamen und vom gesellschaftlichen Leben isolierten Personen. Diesem Problem können innovative, immersive und Multi-User-fähige MR-Technologien durch die virtuelle Präsenz von Gesprächspartnern entgegenwirken, da eine zwischenmenschliche Interaktion mit Hilfe dieser Systeme auch über große Distanzen hinweg, wie in realen Räumen, möglich wird. Der Effekt des Zusammenseins könnte durch die Wahrnehmung von Gesten, Gerüchen, Berührungen bis hin zu Körperwärme noch deutlich verstärkt werden. Zudem könnten innovative Methoden zur Modellierung und Darstellung der individuellen, natürlichen Umgebung ein Gefühl der Vertrautheit erzeugen. Dabei sollte es insbesondere möglich sein, reale Hindernisse mit in die virtuelle Welt zu integrieren. So können sich Nutzende in der virtuellen Welt bewegen, ohne Angst haben zu müssen, in der realen Welt gegen Wände oder andere Hindernisse zu laufen. Eine mögliche Zielsetzung ist es, die virtuelle Teilnahme an sozialen, kulturellen und sportlichen Events zu ermöglichen, ohne die Notwendigkeit, zu bestimmten Zeiten vor Ort sein zu müssen. Damit werden nicht nur soziale, sondern auch Nachhaltigkeitsaspekte bedacht, denn diese Technologien können beispielsweise ein reduziertes Reiseaufkommen ermöglichen. Im Rahmen der Förderung sollen immersive Lösungen insbesondere für Nutzergruppen entwickelt werden, die einen besonderen Bedarf oder bisher wenig Anknüpfungspunkte zur Digitalisierung haben.

Die Förderrichtlinie ist in zwei Module gegliedert, wobei in Modul 1 Verbundprojekte mit klarem Forschungs- und Entwicklungsfokus in den oben beschriebenen Bereichen gefördert werden. Im Modul 2 wird mindestens ein Living Lab gefördert, zu dessen Aufgaben die verbundübergreifende Zusammenarbeit der ­Projekte und eine praxisnahe Evaluation der einzelnen Entwicklungen gehören.

Modul 1: Thematische Verbundprojekte

Unter Berücksichtigung der existierenden wissenschaftlichen und technischen Herausforderungen und offenen ­Forschungsfragen müssen Projekte neben der innovativen technischen Umsetzung auch die Alltagstauglichkeit sowie den sozialen und gesellschaftlichen Nutzen mit Hilfe von Nutzerstudien in verschiedenen Anwendungsszenarien im ­Bereich „Digitale Gesellschaft“ nachweisen.

Die Vorhaben sollten sich am Ansatz der integrierten Forschung orientieren und den neuesten Stand von „User ­Centered Design“ und partizipativen Entwicklungsmethoden anwenden. Fundierte Kenntnisse über die in dem ­geplanten Projekt adressierte Zielgruppe und ein Zugang zu dieser sind darzulegen. Hierfür sollen im Verbund interdisziplinäre Kompetenzen eingebunden und die Zielgruppe in der Projektumsetzung berücksichtigt werden. Weiterhin sind die mit den Projektzielen einhergehenden ethischen, sozialen und rechtlichen Implikationen mit zu betrachten und im Rahmen der Arbeitsplanung zu adressieren.

Um die Zusammenarbeit der Verbundprojekte mit dem Living Lab zu ermöglichen soll jedes in Modul 1 geförderte Projekt ein zusätzliches Arbeitspaket einplanen, in dem die Kooperation mit dem begleitenden Living Lab vorgesehen wird. Dies beinhaltet unter anderem die Integration von Teilergebnissen, deren Aufbereitung in Workshops, die Überprüfung aktueller internationaler Forschungsergebnisse bzw. internationaler Produktentwicklungen, die gemeinsame bzw. vergleichende Evaluation der Projektergebnisse, die Analyse und Umsetzung von ELSI sowie die Lösung projektübergreifender Probleme.

Die in den Verbundprojekten adressierten Innovationen müssen einen erheblichen Forschungsbedarf aufweisen und über den gegenwärtigen Stand der Wissenschaft und Technik hinausgehen. Außerdem müssen sie einen deutlichen Mehrwert im Vergleich zu bereits existierenden oder in der Entwicklung befindlichen Lösungen aufweisen. Es ist eine Förderung mit einer Laufzeit von drei Jahren vorgesehen.

Modul 2: Aufbau von Living Labs für empirische Forschung

Parallel zu Modul 1 soll der Aufbau eines Living Labs erfolgen. Dort sollen die Erfahrungen und Ergebnisse der einzelnen Projekte aus der Bekanntmachung bestmöglich zusammenfließen und eine nachhaltige übergreifende ­Nutzung der Projektergebnisse angestrebt werden.

Während der gesamten Laufzeit soll den Projekten durch das Living Lab die Möglichkeit gegeben werden, aktiv zusammenzuarbeiten und ihre Ergebnisse in einem gemeinsamen übergreifenden Kontext zusammenzuführen und zu evaluieren. Darüber hinaus ist vorgesehen, dass sich die in Modul 1 geförderten Projekte auf gemeinsame Standards für die entwickelten MR-Technologien verständigen bzw. aktiv an der Entwicklung gemeinsamer technischer Standards und Plattformen beteiligen, durch die eine Interoperabilität der ­Einzellösungen gewährleistet wird. Es ist eine Förderung mit einer Laufzeit von drei Jahren vorgesehen.

Antragsberechtigt sind Verbünde aus Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft, Hochschulen, außeruniversitäre ­Forschungseinrichtungen sowie zivilgesellschaftliche Akteure. Die Antragstellung von Start-ups, KMU und mittel­ständischen Unternehmen wird ausdrücklich begrüßt.

Mittelständische Unternehmen im Sinne dieser Förderrichtlinie sind Unternehmen, die einschließlich verbundener oder Partnerunternehmen zum Zeitpunkt der Antragstellung eine Größe von 1 000 Mitarbeitern und einen Jahresumsatz von 100 Millionen Euro nicht überschreiten.

Die Zuwendungen werden im Wege der Projektförderung gewährt. Die Förderung erfolgt in Form von nicht rückzahlbaren Zuschüssen. Die Förderquote für Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft beträgt bis zu 50 %.

Mit der Umsetzung dieser Fördermaßnahme hat das BMBF den Projektträger VDI/VDE Innovation + Technik GmbH beauftragt. Das Antragsverfahren ist zweistufig angelegt. Die Vorlage von Projektskizzen beim Projektträger muss bis spätestens zum 29. Juli 2020 erfolgen.